Fokuswechsel: Wichtig ist, was du zu geben hast
Neulich sagte mir eine Kundin strahlend: ‚Ich hab’s jetzt begriffen: Es geht beim Sprechen gar nicht um mich und darum, was die anderen über mich denken! Es geht um meine Zuhörer und Zuhörerinnen und darum, was ich ihnen geben kann.‘
Dann haben wir miteinander beim Training auf Zoom richtig gefeiert. Denn was sie da für sich erkannt hatte, das war ein Durchbruch. Ein Fokus-Wechsel. Und das ist es nicht nur für sie – sondern für alle, die an diesen Punkt kommen. Sicher auch für dich.
Was denken die anderen über mich?
Vielleicht kennst du das: Eine Rede oder ein wichtiges Meeting stehen an. Du machst dir rund um das Sprechen vor anderen endlos Gedanken, was du sagen willst. Und dann, noch mehr: Was die anderen über dich denken werden, wenn du das sagst.
Das ist der größte und sicherste Ausgangspunkt für Sprechstress: Die Angst davor, wie die anderen dich und dein Sprechen bewerten könnten. Wie du in den Augen der anderen erscheinst. Wenn auch dich diese Ängste und Gedanken rund ums Sprechen umtreiben, dann bist du nicht allein: So wie dir geht es allen Menschen, die situativ Sprechängste haben.
Manche Situationen triggern den Sprechstress, andere nicht …
Ich schreibe situativ, weil diese Ängste rund ums Sprechen bei vielen eben nur in bestimmten Situationen auftreten. Bei der einen Person sind es Gruppen ab 7 Menschen, die sie triggern. Andere werden nervös, wenn ein Gespräch mit einer Autoritätsperson, wie z.B. dem Chef/ der Chefin ansteht. Für wieder andere ist es eine höchst herausfordernde Situation, sich in einem Gremium zu Wort zu melden, ohne tipptopp vorbereitet zu sein. Oder es wird als stressig empfunden, die Zügel bei einer wichtigen Kund:innenpräsentation in die Hände zu nehmen.
Viele der Menschen, die ein Rhetoriktraining wegen ihrer Sprechängste machen, sagen mir: „Ich kann doch reden, ich kann mich doch ausdrücken – in anderen Situationen klappt es doch auch!“ Ich sage dann: „Natürlich kannst du reden – es triggern dich eben bestimmte Situationen …“
Menschen sind soziale Wesen: Wir wollen in den Augen der anderen bestehen.
Bei einigen Gelegenheiten ist es uns wichtiger, gut zu performen, als bei anderen. Wir alle sind soziale Wesen: Natürlich ist es uns nicht egal, wie wir in den Augen anderer Menschen dastehen. Gefährlich wird es nur, wenn das Publikum in unserer Wahrnehmung zur kritischen, gefährlichen Instanz mutiert. Wenn wir uns klein fühlen, wenn wir an die ganzen Gesichter denken, die uns da anschauen und wir uns vorstellen, was sie alles Übles über uns denken könnten …
All das passiert in deinem Kopf und hat erstmal nichts mit den Leuten zu tun, die dir zuhören. Es handelt sich um eine riesengroße, sehr machtvolle Projektion. Doch wenn die damit verbundenen Ängste die Oberhand gewinnen, dann kommt es zu starken Flucht-Versuchen. Entweder, wird die Sprechsituation komplett vermieden oder nur unter größter Kraftanstrengung gewagt – und so schnell wie möglich wieder beendet.
Perspektive wechseln: Du hast etwas zu geben.
Versuch es mit einem Fokuswechsel: Du sprichst vor und mit anderen, weil du etwas zu geben hast. Weil du Wissen in einem bestimmten Bereich hast, Einsicht gewonnen hast, Erfahrungen gemacht hast. Weil du ein:e Expert:in auf deinem Gebiet bist. Durch dein Sprechen kannst du die anderen an deinen Gedanken und Einsichten teilhaben lassen. Mit jedem Wort, jedem Satz entsteht so eine Verbindung zwischen dir und deinen Zuhörer:innen.
Dabei hilft, wenn du dich mit deinem zukünftigen Publikum schon bei der Redevorbereitung auf konstruktive Weise auseinandersetzt. Du nimmst damit einen Perspektivenwechsel vor. So kannst dir z.B. Fragen stellen, um deine Zuhörer:innen besser einzuschätzen und deine Inhalte wirklich auf sie auszurichten.
Diese Fragen kannst du dir vorab stellen:
· Wer hört mir zu?
· Welchen Kenntnisstand haben meine Zuhörer*innen?
· Was erwarten sie, wie sind sie gestimmt, was brauchen sie?
· Was kann ich tun, um diese Leute ‚mitzunehmen‘?
Miteinander-Sprechen ist ein kooperativer Prozess.
Wenn du dich so vorbereitest, geschieht das Teilen deines Wissens und deiner Erfahrungen auf Augenhöhe mit diesen anderen Menschen. Ich finde sogar: es ist ein liebevoller, verantwortungsbewusster, zutiefst kooperativer Prozess: Es geht darum, dass die anderen dich verstehen. Es geht um die anderen.
Du fängst an, deine Worte auf die anderen auszurichten und dich damit auseinanderzusetzen, wie du sie erreichst. Du richtest deine Energie aufs Geben aus, aufs Publikum hin aus. Der Fokus geht weg von dir selbst und deinen Ängsten – hin zur Vermittlung, zum Brückenbau.
Du führst durch die Stadt deiner Gedanken.
Ich gebe in den Trainingsprozess oft dieses Bild mit hinein: '“Sieh dich als eine Stadtführer:in - du führst dein Publikum durch die Stadt, durch deine Gedanken. Du achtest mit deinem Sprechen und Handeln darauf, dass alle mitkommen, alle dabeibleiben, alle Anschluss finden.”
Diese andere Sichtweise auf den Kommunikationsprozess wird sich auch in deinem Körper ausdrücken: Du wirst leichter Blickkontakt mit den einzelnen Menschen im Publikum aufnehmen. Durch deine Gestik wirst du deine Worte ausdrucksvoller unterstreichen – und deine ganze Körperhaltung wird zugewandter sein.
Die neue gedankliche Ausrichtung verbindet sich hörbar in deinen Worten und wird sichtbar in deiner Körpersprache.
So entsteht rhetorische Wirkung. So kannst du etwas vermitteln und mit deinen Worten bewegen. Denn: Du hast etwas zu geben.
Ich wünsche dir viel Freude beim Fokuswechsel.