Wie dich die kooperative Kraft der Rhetorik stärkt

 
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 Wer spricht, hat Macht: das eigene Wissen weiterzugeben, Abläufe mitzugestalten und Lösungsvorschläge einzubringen. Durchs Sprechen gestalten wir Wirklichkeit, wir bilden sie mit Sprache ab. Öffentliches Sprechen vermittelt Wirklichkeit an andere Personen, verschafft ihr dadurch mehr Raum und Wirkungskreise.

Wenn es um öffentliche Sprechen, sich-zu-Wort-melden, ums Reden und Vortragen geht, kommen in dieser Wirklichkeit Frauen noch immer zu selten vor.

 

Mehr Frauen auf die Bühnen! 

Das demonstriert etwa das 50% Projekt eindrücklich: hier wird der Anteil von Männern und Frauen auf der Bühne bei Konferenzen und anderen Veranstaltungen gezählt. Wenn 50% die Hälfte sind, dann haben auf allen bislang gezählten Veranstaltungen nur etwas über 26% Frauen öffentlich gesprochen – grad mehr als ein Viertel.

Dass es prinzipiell viele Frauen gäbe, die zu jedwedem Thema sprechen könnten, zeigt die Speakerinnen-Datenbank. Hier finden sich Expertinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung gerne öffentlich sprechend vermitteln.

In einem Artikel von EditionF erläutert Nora-Vanessa Wohlert, was Veranstalter*innen und jede Einzelne von uns tun könnten, um den Frauenanteil auf Bühne und Podium zu erhöhen.

 

Sprechen und Wirkungsmacht

Auch, wenn dich die Wirkungsfelder Bühne und Podium erst mal nicht anziehen: um den Zusammenhang zwischen Sprechen und Wirkungsmacht geht es auch am Konferenztisch in deiner Firma. In deiner wissenschaftlichen Arbeitsgruppe, im Team-Meeting, auf einer politischen Veranstaltung, in der Familie. In jedwedem Umfeld, in dem du gehört werden und wirken willst. 

Hier kommt die Rhetorik ins Spiel: was sie ist, und was sie für dich tun kann. 

 

Rhetorik ist die Kunst des Redens. 

Rhetorik bezeichnet die ‚Kunst des Redens‘ und ist gleichzeitig die Lehre davon. Also: wie du vor und mit anderen sprichst und deine Themen, deine Anliegen überzeugend präsentierst. Rhetorik gliedert sich in 2 Bereiche: die Rede-Rhetorik und die Gesprächs-Rhetorik. 

Die Rede-Rhetorik beschäftigt sich mit dem Aufbau einer Rede und ihren Ausdrucksmitteln. Wobei die Bezeichnung Rede heute fast nur noch als Oberbegriff benutzt wird, da sich so viele Unterkategorien und andere Bezeichnungen gebildet haben.

Ganz allgemein bezeichnet Rede eine Sprechhandlung vor Publikum: eine spricht, einige andere hören zu. Ob du es also Präsentation, Vortrag, Pitch oder Ansprache nennst – es ist immer eine Rede.

In der Gesprächs-Rhetorik  dreht sich dabei alles um das Kommunizieren in einer Gesprächs-Situation. Das kann ein Zwiegespräch sein, ein Austausch in kleiner Runde oder auch in einem größeren Setting, wie bei einem Meeting.

Die Rhetorik interessiert sich für den inhaltlichen und strukturellen Aufbau einer Wortmeldung. Und für das WIE der Ausführung: die innere Haltung, den sprachlichen Ausdruck, die persönliche und stimmliche Präsenz der Rednerin, sowie die nonverbalen Mittel wie Mimik, Gestik und Blickkontakt.

Rhetorik für Frauen: Warum das denn? 

Auf dieser Website geht es viel um ‚Rhetorik für Frauen‘. Vielleicht fragst du dich: "Warum ist dieser Zusatz ‚für Frauen‘ wichtig? Gelten nicht in der Rhetorik die gleichen Prinzipien für Männer und Frauen?"  

Wenn etwas ‚für Frauen‘ angeboten wird, werden viele skeptisch. Ich auch. Zu tief sitzt die Erfahrung, dass Unternehmen Marketing für Frauen oft nach dem Motto ‚shrink it and pink it‘ betreiben. Zuerst ein bisschen kleiner machen und dann rosa einfärben. Und dann auch noch zu einem höheren Preis verkaufen.

Und 2018 haben es viele von uns auch satt, immer wieder auf angebliche Unzulänglichkeiten in der eigenen Kommunikation hingewiesen zu werden. Gesellschaft und Arbeitgeber hinken doch noch immer der beruflichen Realität vieler Frauen hinterher oder nehmen sie gar nicht wahr – da muss sich was ändern.

Die Frauen meiner Generation sind aufgewachsen in dem Bewusstsein, dass wir alles werden und sein können. In allen Bereichen haben wir an Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten mit Männern gleichgezogen. 

 

Noch immer keine Gleichstellung.

Doch es gibt noch immer keine Gleichstellung, Frauen und Männer sind strukturell nicht gleichberechtigt.

Das merken viele von uns spätestens, wenn es um den beruflichen Wiedereinstieg nach der Elternzeit geht. Oder beim berüchtigten Anstoßen an die gläserne Decke. Wenn auf eine Frau am Podium einer Konferenz 10 Männer kommen. Wenn der Vorschlag einer Frau in einer gemischten Runde untergeht, nur um 5 Minuten später von einem Mann eingebracht und mit Applaus aufgenommen zu werden.

Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit ist in vielen Branchen noch immer ein Wunschtraum. Dass es nicht harmlos ist, wenn junge Frauen von ihren Vorgesetzten ‚Prinzessin‘ genannt werden, darüber hat Theresa Hein in der Serie '10 nach 8' sehr pointiert geschrieben. Und #metoo hat in den letzten Monaten mehr als deutlich gezeigt, dass sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch große Themen in unserer Gesellschaft sind.  

All diese Missstände bedingen, dass die Stimmen, Wahrnehmungen und Erfahrungen von Frauen in der Öffentlichkeit noch immer nicht gleichwertig wahrgenommen werden. Damit geht nicht nur Expertise verloren, sondern viel vorhandenes Potential für gesellschaftliche Veränderung.

 

Wir können was verändern.

Ich bin jedoch überzeugt davon, dass das Sprechen von Frauen die Welt verändern kann. Im Aussprechen und Hinweisen auf das, was gerade noch fehlt, was schiefläuft. Durch ein Engagement, das nicht nur auf einen Erhalt des Status Quo zielt, sondern auf eine Hinwendung zur Zukunft. Für eine andere Art des Zusammenlebens und einen nachhaltigeren Umgang mit vorhandenen Ressourcen – eigenen und denen des großen Ganzen.

Um öffentlich zu sprechen, brauchst du prinzipiell neben deinem gewählten Thema nur deine Stimme und sprecherischen Einsatz. Wie du Inhalt und Ausdruck in eine stimmige Form bringst und das Ganze dann vor Publikum präsentierst, kannst du auch in jedem gemischtgeschlechtlichen Rhetorik-Seminar lernen. Die Auswahl ist endlos.

Wenn ich jedoch über ‚Rhetorik für Frauen‘ nachdenke und schreibe, geht es mir immer mehr um eine bestimmte Art der inneren Haltung, die ich fördern und kultivieren möchte. Um mehr, als jemanden ‚rhetorisch zu schlagen‘ oder ‚Recht zu behalten‘. Wie ich Rhetorik verstehe, dreht es sich dabei auch um Bewusstseins-Bildung, die den eigenen Worten eine besondere Kraft verleiht.

 

Rhetorik ist mehr als 'einfach-gut-reden-können'.

Der Überlieferung nach entstand Rhetorik als eine Reaktion auf das Ende der Herrschaft der Tyrannen in Syrakus, 467 v. Chr. Von diesem Zeitpunkt an durften gegensätzliche Interessen in öffentlicher Rede ausgetragen werden. Es ging darum, eine neue gesellschaftliche Praxis zu etablieren.

Streitereien konnten und sollten durch das Prinzip von Rede und Gegenrede in der Antike nun regelgerecht ablaufen. Damit fällt die erste Blütezeit der Rhetorik mit der Errichtung der Demokratie zusammen. In weiterer Folge entstand auch das antike Idealbild des ‚vir bonus‘. Ja, das meinte erst mal nur Männer: Frauen hatten im öffentlichen Diskurs damals leider noch nichts zu sagen.

Doch dieses Idealbild beschreibt eine Person, die gebildet ist und sich nicht nur rhetorischer Techniken bedient. Stattdessen kann sie ihre Vorschläge und Inhalte auch ethisch vertreten und hat ein stark entwickeltes Verantwortungsbewusstsein. Das klingt für mich nach dem Bild einer Person, die wir auch heute, bei den momentanen gesellschaftlichen Entwicklungen, sehr gut brauchen können! 

 

Kooperation und Glaubwürdigkeit statt Manipulation

Denn wer solcherart redet, möchte mit Rhetorik nicht andere Menschen einfach bestmöglich manipulieren. Vielmehr geht es um Kooperation und Glaubwürdigkeit. Natürlich ist das Ziel der meisten Reden trotzdem, andere von den eigenen Ideen zu überzeugen – aber nicht mit allen Mitteln und zu jedem Preis.

Hier verläuft also auch der Grat zwischen ‚überreden‘ und ‚überzeugen‘. Überreden bedient sich der verschiedensten Formen der Manipulation und entmündigt den Hörer, indem ihm Denk- und Urteilsfähigkeit abgesprochen werden. Das Ziel beim Überreden ist es, den Hörer zum Handeln im Reflex zu verleiten.

Wer überzeugen will, macht einen Schritt auf die zuhörende Person zu und wählt den Weg des Verstehens. Denn überzeugt werden kann nur, wer sich wirklich verstanden fühlt: auch in jedweder Andersartigkeit wahrgenommen und ernstgenommen.

 

Logos, Pathos und Ethos: Wieder in Mode

In der antiken Rhetorik wird das Thema ‚Überzeugung‘ deswegen in 3 Aspekte gegliedert: Logos, Pathos und Ethos. Ich halte sie auch für das heutige Sprechen, vor Publikum und in Gesprächen, für zentral.

Logos beschreibt die Fähigkeit der Rednerin, ihre Überzeugung schlüssig zu argumentieren und sachlich auszuführen.

Pathos zielt auf die Fähigkeit ab, sich in die Zuhörer hineinzuversetzen. Und zwar nicht nur in die Welt des Verstandes, sondern auch in die Gefühlswelt. Das Wort Pathos hat in seiner Geschichte vielfältige Bedeutungswechsel durchlaufen.

Die hier gemeinte Form von Pathos hat nichts mit übertrieben wirkender emotionaler Ergriffenheit zu tun und auch nichts mit theatralischer Artikulation. Vielmehr geht es um Empathie, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, die eigene Perspektive zu wechseln und in den ‚Schuhen des Gegenübers‘ zu laufen.

Ethos meint den Anspruch an öffentlich redende Personen, sich glaubwürdig und wohlwollend zu verhalten, sowie gut zu handeln. Dabei ist das Gute nichts Abstraktes. Es bemisst sich ganz konkret am Umgang mit anderen Menschen und dem Gemeinwohl.

 

Sprechen als eine Art der Persönlichkeits-Entwicklung

Wenn du anhand dieser 3 Aspekte von Ethos, Pathos und Logos de eigenen Rede-Qualitäten ausbaut, entwickelst du automatisch auch deine Persönlichkeit weiter.

Diese Entwicklung führt zu einer starken inneren Haltung: du weißt, was dir wichtig ist und wofür du stehst. Und das wirkt sich natürlich auch auf deine Überzeugungskraft und deine Worte aus. Wie immer in der Rhetorik ist das Innere eng mit dem Äußeren und der Wirkung verknüpft.

 

Diese Form von innerer Haltung bedeutet konkret:

  • Du kannst deine Überzeugungen und dein Wissen sprachlich gut vermitteln. Wenn du auf Widerstand oder Gegenargumente stößt, wirft dich das nicht aus der Bahn, weil du dein Thema durchdrungen hast und die Debatte sachlich weiterführen und zu den wirklich wichtigen Punkten zurückbringen kannst.

  • Du weißt, für wen dein Sprechen relevant ist – und warum. Was die Menschen davon haben, wenn sie dir zuhören. Denn du hast dich mit ihnen auseinandergesetzt und weißt, wo sie stehen und welche Positionen sie vertreten.

  • Du hast dir klargemacht, wie du mit anderen Menschen umgehen willst und was dir beim Kommunizieren besonders wichtig ist. Durch diese Art des Bewusstseins kannst du es auch ansprechen, wenn du merkst, dass woanders Grenzen überschritten werden oder eine Art des Diskurses entsteht, die einer gemeinsamen Entwicklung abträglich ist.

 

Innere und äußere Haltung kommen zusammen.

Rhetorik, wie ich sie verstehe, ist am stärksten, wenn sie Kooperation, Glaubwürdigkeit, Bewusstsein und ethisches Verhalten in den Vordergrund stellt. Wenn sie aus einer starken inneren Haltung entsteht und diese sich in Körperausdruck und Stimme manifestiert.

Das ist nichts, was du 'faken' kannst und wo 'schnelle Ergebnisse' das Ziel sind. Vielmehr ist diese Art des Kommunizierens ein Prozess: durch Bewusstmachung und Erweiterung der Ausdrucksformen. 

 

Bitte keine Dominanzstrategien nachahmen!

Mir geht es in der ‚Rhetorik für Frauen‘ deswegen niemals um das Nachahmen bestimmter männlich geprägter Redestile. Oder um die Anpassung an männliche Sprachstandards.

Ich bin auch überzeugt, dass das Erlernen von Dominanzstrategien in die falsche Richtung führt. Das wäre bloß ein ‚Mehr‘ von dem, was wir schon haben und gesellschaftlich überall beobachten können. Und: wo bringt der unsere Welt gerade hin? 

 

Eine andere Art der Kommunikation fördern.

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Vielmehr bin ich überzeugt, dass es sich lohnt, einen Kommunikations-Stil zu fördern und in seinen Stärken bewusst zu machen, der konstruktiv, kooperativ und menschlich-empathisch geprägt ist.

Viele Frauen kommunizieren schon auf diese Weise. Immer wieder erlebe ich, dass hier große Kompetenzen liegen, die oft nur noch bewusster als Ressourcen in der Kommunikation erkannt werden müssen.

Diese Stärken wirken am besten gepaart mit der Fähigkeit, selbstsicher, nachdrücklich und sachlich zu argumentieren. Verständlich zu sprechen und sich Gehör zu verschaffen. Dranzubleiben, bis die eigenen Themen in Gesprächen ihre Wirkung zu entfalten. Die Stimme zu erheben, wenn eine Debatte in die falsche Richtung läuft oder Grenzen überschritten werden.

Das sind alles Lern- und Bewusstseinsprozesse, die uns allen offenstehen – und die nachhaltig etwas in Bewegung setzen können.

Die Beschäftigung mit Rhetorik unterstützt dich bei deiner persönlichen sprecherischen Entwicklung. Sie erweitert dein Verhaltens- und Ausdrucksrepertoire, ohne dass du dich ‚verstellen‘ oder ‚anders werden‘ musst.

Rhetorik unterstützt dich dabei, bewusster zu kommunizieren und dadurch deine Ziele in Beruf und Gesellschaft leichter zu erreichen und wirklich was zu verändern. 

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