3 Symptome, dass Sprechen dich stresst
Sprechen vor und mit anderen Menschen kann Stress auslösen. Die unterschiedlichsten Kommunikations-Situationen sind mit Anspannung und Stress verbunden.
Da sitzen 20 Leute mit erwartungsvollen Gesichtern vor dir und du sollst ihnen gleich den aktuellen Projekt-Stand präsentieren. Oder es steht ein Konfliktgespräch mit einer schwierigen Mitarbeiterin an. Oder du fragst deinen Chef um eine Gehaltserhöhung. Im Meeting wird erwartet, dass du etwas beisteuerst.
All diese Situationen können stressvoll sein – und sie alle sind mit Kommunikation verbunden. Mit dem Sprechen vor oder mit anderen. Ich bezeichne das Erleben in diesen herausfordernden kommunikativen Situationen gern als Sprech-Stress. Du kannst allerdings auch Lampenfieber, Sprechangst oder Leistungsstress dazu sagen. Je nachdem, mit welchem Begriff du dich wohlfühlst. Die Symptome sind jeweils die gleichen.
Stressen dich Sprech-Situationen?
Im Fall dieses Artikels geht es mir weniger um die Begrifflichkeit. Sondern mehr um die verschiedenen Symptome, die all diese Situationen verbinden. Stress beim Sprechen äußert sich immer auf mehreren unterschiedlichen Ebenen. Und wenn du weißt, was die mit Sprech-Stress verbundenen Symptome sind, kannst du leichter damit umgehen.
Viele meiner Klient*innen sagen nämlich: ‚Lampenfieber ist nicht so mein Thema.‘ Meistens meinen sie damit, dass ihnen das Sprechen vor anderen in Präsentations-Situationen bei guter Vorbereitung relativ leichtfällt. Das ist wunderbar.
Die gleichen Personen drehen dann aber innerlich durch, wenn sie eine schlechte Nachricht überbringen sollen. Oder wenn sie einen unangenehmen Anruf tätigen sollen. Oder es fällt ihnen total schwer, beim Mitarbeiter*innengespräch das Weiterbildungsbudget und den nächsten Gehaltssprung anzusprechen.
Nicht nur Präsentations-Situationen werden als stressvoll erlebt.
Die Situationen, die Sprech-Stress auslösen, sind sehr unterschiedlich. Deswegen bin ich mittlerweile überzeugt, dass der Fokus auf Präsentations-Situationen bei der Auseinandersetzung mit Nervosität zu kurz greift. Unter dieser besonderen Aufregung beim Reden vor anderen, gerne auch Lampenfieber genannt, können sich die meisten noch ganz gut etwas vorstellen.
Der Begriff ‘Lampenfieber’ kommt aus dem Bühnen-Jargon und beschreibt die Aufregung beim Auftritt vor anderen und das Stress-Erleben beim Sprechen vor Gruppen: Vorträge halten, vor anderen präsentieren, Diskussionsbeiträge in gemischter Runde beisteuern … Ein rotes Tuch!
Doch auch andere Kommunikations-Situationen lösen Stress aus.
Meetings, Konfliktgespräche, soziale Situationen: Stressauslösend!
Eine andere Person ist vielleicht vor Gruppen (vor allem mit einem genügend großen Wissens-Vorsprung) ziemlich cool; wird aber bei Gesprächen mit Autoritätspersonen sehr nervös: Chef*in, Politiker*innen, vielleicht auch der angebetete Filmstar: zum Davonlaufen!
Andere reagieren in herausfordernden sozialen Situationen gestresst: Wenn es darum geht, Forderungen zu stellen, Kritik zu äußern oder auch eine Grenze zu ziehen. Motto: Besser lieber vermeiden, darüber zu sprechen und alles unter den Harmonie-Teppich kehren!
Du siehst also: Was genau Stress in Kommunikations-Situationen auslöst, kann sehr unterschiedlich sein. Doch immer äußert sich dieses Stress-Erleben beim Sprechen auf 3 unterschiedlichen Symptom-Ebenen. Werde aufmerksam dafür, wie du auf Stress reagierst. Dann kannst du achtsam gegensteuern.
Stress beim Sprechen äußert sich auf 3 Ebenen.
Die 3 Ebenen, auf denen sich Stress beim Sprechen äußert, sind:
Körperliche Symptome
Gedanken-Symptome
Symptome des Verhaltens
Gehen wir sie miteinander durch.
Körperliche Symptome bei Kommunikations-Stress
Wenn du gestresst bist oder Angst hast, dann pumpt dein Körper verstärkt Adrenalin und Noradrenalin durch dein System. Das versetzt deinen Körper in einen Zustand erhöhter Erregungs- und Leistungsbereitschaft. Das ist der Kampf- oder Fluchtmodus. Er ist sehr praktisch, wenn es darum geht, als Steinzeitfrau vor einem Tiger davonzulaufen. Der Körper ist wacher, leistungsbereiter und unempfindlicher gegen Schmerz. Wenn du vor einem Tiger flüchtest, stört dich der in den Fuß piksende Stein ebenso wenig, wie dass du eigentlich Hunger hast.
Beim Sprechen musst du jedoch nicht vor einem Tiger davonlaufen oder dich ihm im Kampf gegenüberstellen. Es werden jedoch die gleichen Prozesse getriggert, auch wenn das Angst-Verhalten in diesem Fall gar nicht förderlich ist. Es kommt nämlich zum ‚Stau‘ in deinem System: Die Botenstoffe der Angst können nicht schnell genug abgebaut werden.
Körperliche Reaktionen auf Stress
Typische physiologische Reaktionen auf Stress, in Kommunikations-Situationen oder anderen, sind:
Beschleunigter Puls
Herzrasen
Erhöhter Blutdruck
Rotwerden
Schwitzen oder plötzliches Kälte-Gefühl
Erhöhte Körperspannung
Verändertes Atemverhalten: Der Atem rutscht hoch.
Verdauungs-Störungen
Körperlichem Stress kannst du durch Atmung & Entspannung begegnen.
Gegen diese körperlichen Stress-Reaktionen kannst du mit bewusster Atmung oder dem Einsatz von Entspannungs-Techniken gegensteuern. Damit du diese Hilfsmittel im ‚Fall der Fälle‘ einsatzbereit hast, solltest du sie in entspannten Situationen üben. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen kann dabei ebenso wirkungsvoll sein wie die Beherrschung des dreiteiligen Atemrhythmus.
Die meisten Menschen könnten mit den rein körperlichen Symptomen von Stress wahrscheinlich noch umgehen, wenn sich diese Ebene nicht mit einer weiteren verbinden würde. Denn kommunikativer Stress äußert sich auch auf der gedanklichen Ebene.
Und jetzt wird’s richtig spannend …
Gedankliche Symptome bei Sprech-Stress
Durch deine Gedanken und inneren Einstellungen einer Kommunikations-Situation gegenüber wird Stress erst so richtig aktiviert.
Die Gedanken laufen oft in 2 Richtungen: Angst in Bezug auf die eigene Leistung und Befürchtungen wegen einer negativen Bewertung durch das Publikum, durch die anderen Menschen. Diese Gedanken-Muster treten vor, während und oft auch nach der Sprech-Situation auf.
Typische negativen Glaubenssätze rund ums Sprechen
Typische negative Vorannahmen und Glaubenssätze in Verbindung mit Sprech-Stress sind z.B.:
‚Ich werde sicher eine Menge Kritik ernten.‘
‚Sie werden mich auslachen.‘
‚Das geht sicher schief.‘
‚Ich bin nicht entspannt genug.’
‚Das schaffe ich nicht. Ich gehe einfach.’
‚Die anderen können das viel besser als ich.’
‚Ich vergesse bestimmt wieder die Hälfte.’
‚Das war jetzt total überflüssig, dass ich das gesagt habe.’
‚Was ich sage, ist nicht interessant genug.’
‚Die finden das alle langweilig.’
‚Ich mach jetzt einfach schneller, damit es vorbei ist.’
‚Jetzt habe ich komplett den Faden verloren.’
‚Ich glaub, ich drück mich zu undeutlich aus.’
‚Die bewerten meinen Körper: Die denken, ich bin zu dick.’
‚Die halten mich nicht für kompetent.’
‚Ich sollte cooler sein.‘
‚Die anderen sehen, dass ich unsicher bin.‘
‚Ich bring das nicht gut genug rüber.‘
‚Ich muss jetzt etwas sagen.‘
‚Jetzt kommt raus, dass ich gar nichts weiß.‘
‚Die mögen mich nicht.‘
Was sind deine liebsten Gedanken, wenn dich Sprechen stresst?
Kommt dir der ein oder andere Gedanke bekannt vor? Ich bin mir sicher, dass du sofort wusstest, welche spezifischen Gedanken beizeiten auch durch dein Gehirn sausen. Vielleicht stolperst du in den kommenden Tagen in einer stressbesetzen Situation auf noch weitere Kognitionen aus dieser Liste oder fügst deine ureigenen Gedanken hinzu …
Diese negativen Gedanken und Gedanken-Spiralen heizen das Stress-Erleben weiter an. Den Gedanken kannst du mit Achtsamkeit begegnen und mit dem, was ich ‚freundliche Akzeptanz‘ nenne. Wahrnehmen, anschauen, vorbeiziehen lassen.
Oder du reagierst darauf mit einem inneren Dialog, als würdest du zu einer lieben Freundin sprechen:
‚Ah, du hast Angst, dass die anderen dich nicht mögen, wenn du deine Meinung äußerst. Ja, das kann sein, dass nicht alle das gern hören. Das ist OK: Du musst nicht allen gefallen.‘
Körperlicher Stress und Gedanken-Stress äußern sich in deinem Verhalten.
Wenn sich körperliche Symptome mit kognitiven Symptomen verbinden, dann äußert sich der Stress auch auf einer dritten Ebene: Deinem Verhalten. Die Verhaltens-Ebene ist deswegen die 3. Symptom-Ebene für dein Erleben von Stress.
Dein Körper fühlt sich unangenehm an und die Gedanken drehen sich im selbst-destruktiven Kreis: Das wirkt sich natürlich auch darauf aus, wie du dich in einer Kommunikations-Situation verhältst.
Vielleicht hast du dir nach einer stressigen Gesprächs-Situation schon manchmal gedacht: ‚Warum habe ich wieder so schnell gesprochen? Ich habe mir doch vorgenommen, alles langsam durchzugehen.‘
Oder du bekommst nach dem Meeting von einer Kollegin das Feedback, dass deine Stimme ganz hoch war und piepsig geklungen hat. Es kann auch sein, dass du deinen Vortrag auf einer Video-Aufnahme siehst und geschockt bist, dass du immer nur auf den Boden geguckt und dabei den Stift in deiner Hand massakriert hast.
Typische Verhaltens-Symptome für Sprech-Stress
Auf der Verhaltens-Ebene sind folgende Symptome typisch für Sprech-Stress:
Deine Stimme rutscht hoch: Die Stimmlage ist deutlich höher als normalerweise. Das kann dazu führen, dass du nach der Sprech-Situation heiser bist oder dass die Zuhörer*innen bei deinem Vortrag gedanklich ‘abschalten’.
Du sprichst zu leise und nuschelst deine Sätze in dich rein. Oder du wirst vor lauter Aufregung viel lauter, als du normalerweise bist. Typische Reaktionen deiner Mitmenschen sind dann: ‚Sprich doch mal lauter – ich verstehe dich gar nicht.‘ Oder: ‚Jetzt brüll mich nicht so an.‘
Du findest die richtigen Worte nicht, auch wenn dir vorher die Zusammenhänge alle klar waren: Der Stress äußert sich durch verzögerte Wortfindung und das viel beschriebene ‘Blackout’.
Du sprichst zu schnell. Manchmal schneller, als du atmen kannst und die anderen deine Informationen verarbeiten können. Bei mir sind regelmäßig Personen im Training, die vor lauter Schnell-Sprechen Seitenstechen bekommen.
Du baust keinen Blickkontakt mit den Leuten auf, vor und mit denen du redest. Das ist das, was ich ‚Vogel-Strauß-Taktik‘ nenne. Das passiert bei Vorträgen ebenso, wie wenn du eine zu überbringende Botschaft als besonders unangenehm einschätzt.
Deine Hände und Arme sind angespannt. Am liebsten steckst du die Hände beim Sprechen in die Hosentasche, verknotest sie ineinander oder hältst sie hinter dem Rücken fest. Das verhindert eine natürlich fließende Gestik, erschwert dein Sprech-Denken und für dein Publikum die Verständlichkeit.
Verhaltens-Symptome kannst du durch Bewusstsein und Übung verändern.
Die einen neigen zu einer großen Beschleunigung des Verhaltens (Durchrasen, keine Luft holen, schnell schnell schnell machen) und andere werden sehr langsam, erstarren fast. Diesen Menschen fällt es plötzlich sehr schwer, sich überhaupt zu bewegen – alles fühlt sich bleiern an und sie ziehen sich immer mehr in ich zurück.
Die Verhaltens-Symptome bei sprecherischem Stress kannst du angehen, wenn du dir ihrer bewusst wirst. Und dazu brauchst du Selbst-Erfahrung, Reflexion und Feedback. Reflektiere nach einer Sprech-Situation für dich, wie sie gelaufen ist. Lass dir von einer lieben Kollegin eine Rückmeldung geben, die bei deiner Präsentation dabei war. Entwickle dein Kommunikations-Verhalten durch gezielte Weiterbildung.
Du kannst lernen, auch bei Anspannung eine förderliche Körperhaltung einzunehmen, die Gestik ermöglicht. Du kannst daran arbeiten, beim Sprechen deutliche Pausen zu setzen und der Stimme in der Lösungstiefe immer wieder Erholung zu gönnen, indem du sie nach unten führst. Du kannst beim Sprechen eine wirkliche Beziehung zum Gegenüber aufbauen, wodurch du deine Stimmkraft optimal dosieren wirst.
Dem Stress und der Anspannung rund ums Sprechen gelassener begegnen.
Das Wichtigste rund um Stress-Symptome beim Sprechen ist: Dass du sie kennenlernst, ihnen achtsam begegnest und lernst, was für dich ein förderliches Kommunikations-Verhalten ist.
So begegnest du der Anspannung beim Kommunizieren immer gelassener. Du erlebst die verschiedenen Symptome wahrscheinlich immer noch – kannst aber schneller gegensteuern und sie für dich in förderliches Sprech-Verhalten umwandeln.