3 Wünsche vieler Frauen an ihre Stimme und Sprechweise
Wenn es um Stimme und Sprechweise geht, dann sind die 3 häufigsten Wünsche, die ich von Frauen höre, folgende:
‚Ich will LANGSAMER sprechen.‘
‚Ich will LAUTER sprechen lernen.‘
‚Ich will lernen, TIEFER zu sprechen.
Langsamer, lauter und tiefer sprechen: realistische Ziele?
Alle 3 Wünsche sind zutiefst verständlich, denn oft geht ihnen ein gewisser Leidensdruck voraus. Schnellsprechen wird oft durch besonderen Stress in einer Sprechsituation ausgelöst und führt dazu, dass die eigenen Botschaften nicht richtig gesendet werden können. Oft kommt das Publikum einfach nicht mit, wenn frau ‘wie mit 190 auf der Autobahn’ durch ihre Ausführungen rast.
Permanent suggeriert zu bekommen, frau spreche zu leise, ist auch stressvoll. Mehr Kraft aus der Kehle zu holen, um lauter zu werden, führt jedoch oft zu Heiserkeit und Stimmschäden.
Und weil in unserer Gesellschaft noch immer die ‘männliche Stimme’ als das sonore Ideal gilt, setzen sich viele Frauen mit einer physiologisch höheren Stimme enorm unter Druck. Vor allem wenn sie merken, dass dem Kollegen mit dem volltönenden Bass ausgiebig zugehört wird, sie selbst aber nach 1,5 Sätzen unterbrochen werden.
Schauen wir uns im Weiteren an, inwieweit diese 3 Stimm-Ziele, langsamer, lauter und tiefer zu sprechen, auch wirklich realistisch sind. Und was genau geübt und verändert werden kann, um diesen besonderen Wünschen zu entsprechen.
Schnelles Sprechen wirkt sich auf deine Stimme aus
Wenn du langsamer sprechen willst, dann willst du etwas an deiner Sprechweise verändern. Vielleicht sprichst du im Moment buchstäblich ‚ohne Punkt und Komma‘ und merkst, dass deine Aussagen nicht wirklich ankommen.
Doch natürlich wirkt sich sehr schnelles Sprechen auch auf deine Stimme und auf die Stimmqualität aus. Denn wenn du durch deine Sätze und Gedanken rast, holst du im Normalfall auch nicht physiologisch richtig Luft. Sondern du ‚schnappst‘ immer wieder nach dem Atem: Viele meiner schnellsprechenden Klient*innen berichten, dass sie Seitenstechen bekommen oder sehr schnell heiser werden.
Sprichst du schnell, wenn du nervös bist?
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen zu schnell sprechen. Manche beschleunigen ihr Sprechtempo unbewusst, wenn sie nervös sind und unter Sprechstress leiden. Zum Beispiel, wenn sie eine Präsentation halten sollen oder einen Beitrag in einer Meetingrunde platzieren wollen.
Das schnelle Sprechen ist ein Resultat der inneren Aufregung: der ganze Organismus ist auf ‚Flucht‘ eingestellt und will die als unangenehm empfundene Situation so schnell als möglich hinter sich bringen. Das gehorcht dann dem Motto: ‚Augen zu und durch, damit ich schnell fertig werde.‘
In dem Fall der nervösen Schnellsprecher*innen helfen sehr gut Techniken zur Reduktion von Stress: bewussteres Atmen, mehr Präsenz und Selbstberuhigung. Manchmal kann eine Betrachtung der eigenen Glaubenssätze rund ums Sprechen und Raum-Einnehmen beruhigend wirken.
Viel leisten, schnell denken, mit Hochdruck sprechen
Ein anderer Grund für das besonders schnelle Sprechen kann sein, dass du einfach deutlich schneller denkst und formulierst als die anderen.
Ich habe einige Klient*innen, die ein höheres Leistungstempo haben als ihr Umfeld. Natürlich kann das auch mit Nervosität gepaart sein, muss es aber nicht. Das Problem der schnellen Denksprecher*innen ist vielmehr, dass sie auf dem Weg durch ihre Ausführungen ihr Publikum verlieren. Sie sind so sehr in ihren Gedanken gefangen, so sehr von ihnen begeistert, dass sie ganz übersehen, dass die anderen noch nicht so weit sind.
In diesem Fall arbeite ich dann mit einer Vertiefung der Beziehung zwischen Redner*in und Publikum. Denn jeder Satz kann nur landen, wenn er auch wirklich ans Gegenüber adressiert ist. Und das bedeutet auch, so lange beim anderen Menschen zu bleiben, bis du sicher bist, dass der Gedanke angekommen ist. Das wirkt sich direkt auf die Intensität des Blickkontakts und auch die Pausensetzung aus.
Schnelles Sprechen birgt immer eine Gefahr: Wenn das hohe Sprechtempo nicht mit deutlichen Pausen konstrastiert wird, schalten die Zuhörer*innen bald ab. Denn sie finden sich in den Ausführungen nicht mehr zurecht, werden unruhig und die Gefahr von Unterbrechungen nimmt zu. Um das zu verhindern, reden schnellsprechende Personen dann noch einen Tick schneller … Das kann zu einem Teufelskreis werden, aus dem es sich auszubrechen lohnt.
Tragfähiger und resonanzreich sprechen statt lauter
Auch der zweite weitverbreitete Wunsch, lauter zu sprechen, ist sehr verständlich. Schließlich machen wir alle viel zu oft die Erfahrung, dass sich die lauteste Person im Raum auch durchsetzt.
Viele meiner Klient*innen berichten mir, dass sie permanent im Meeting oder sogar beim Bäcker gebeten werden, lauter zu sprechen. ‚Sprich doch mal lauter, ich kann dich nicht verstehen.‘ oder ‚Können Sie das nochmal wiederholen? Das war zu leise.‘ Das kann nerven und verunsichern. Vor allem, wenn das eigene innere Bachgefühl sagt, dass das doch ‚laut genug‘ war.
Die Kraft kommt nicht aus der Kehle.
Wenn das auch deine Herausforderung ist und du jetzt einfach versuchst, deine Stimme deutlich lauter klingen zu lassen, wirst du wahrscheinlich die Kraft in der Kehle produzieren. Und das kann sehr schnell zu stimmlicher Überlastung führen.
Zum lauteren, durchsetzungsstarken Sprechen brauchst du die Kraft verschiedenster Muskelgruppen und natürlich auch deiner Atmung.
Deswegen arbeite ich mit meinen Klient*innen lieber an der Tragfähigkeit und Resonanz der Stimme, als an der reinen Lautstärke. Tragfähig ist deine Stimme, wenn sie mit Leichtigkeit den jeweiligen Raum füllt: es ist die Reichweite deiner Stimme. Und da hilft es oft schon, genauer in den Blick zu nehmen (ja, durch Blickkontakt!), wen du erreichen willst und deine Worte wirklich an diese Person zu senden.
Mit einer größeren Resonanz sprichst du, wenn du wirklich deine gesamten Resonanzräume bewusst benutzt: Rachen, Mund, Nase, Stirnhöhle und Brustkorb. Stell dir die Resonanz deiner Stimme wie bei einem Musikinstrument vor: wenn du ihr einen Ton entlockst, wird er in den verschiedenen Hohlräumen verstärkt und kann richtig schön schwingen.
In deiner idealen Sprechstimmlage sprechen, statt tiefer
Vielfach gilt die männliche, tiefe, sonore Stimme noch immer als der Idealfall und wird mit Durchsetzungsstärke assoziiert. Da liegt der Wunsch vieler Frauen, tiefer zu sprechen, nahe. Schließlich könnte frau dann auch von den damit verbundenen Vorteilen profitieren …
Wenn du jetzt aber deine Stimme beim Sprechen einfach ‚runterdrückst‘, ist das ungesund und kann auf lange Sicht zu Stimmschädigungen führen.
Die Höhe deiner Stimme ist physiologisch bedingt.
Die Höhe oder Tiefe deiner Stimme hängt von der Größe des Kehlkopfs und der Länge der Stimmlippen ab. Frauenstimmen haben eine höhere Schwingungsfrequenz und liegen etwa eine Oktave höher als Männerstimmen.
Wichtig ist, dass du deine physiologisch günstige Stimmlage findest, in der deine Stimme auch bei längerem Sprechen noch entspannt klingt: deine Indifferenzlage. Auch mit einer hohen Stimme kannst du volltönend und resonanzreich in einer entspannten Sprechstimmlage reden.
Manchmal passiert es, dass bei Aufregung und inneren Spannungszuständen oder auch falschem Lautstärke-Einsatz deine Stimme höher rutscht. Doch durch Training und Bewusstwerdung kannst du lernen, auch dann in deiner Indifferenzlage zu bleiben.
Dazu hilft es, wenn du als erstes mit dem Klang dieses Sprechbereichs vertraut wirst: hör dir selbst beim Sprechen in entspannten Situationen genau zu. Und spüre deinem Sprechen körperlich nach: wo spürst du in deinem Körper Resonanzen und Schwingungen? Je genauer du diesen entspannten Sprechbereich kennst, desto leichter kannst du zu ihm zurückkehren und genau in deiner idealen Stimmlage sprechen.
Jede Stimme hat ihr eigenes Entwicklungspotential.
Was auch immer du dir von deiner Stimme und Sprechweise wünschst, es lohnt sich, daran zu arbeiten. Ob du nun hinter alle 3 Wünsche einen Haken gesetzt hast, oder nur hinter einen: Stimm- und Sprechtraining wird vieles in deiner Wirkung und auch an deinem Selbstbewusstsein verändern.
Viele Stimmen sind wie ungeübte Instrumente: sie wurden einfach noch nie trainiert unter Einbezug der Atmung und des gesamten Körpers. Doch jede Stimme kann entwickelt werden: mit Bewusstsein, Übung und durch ein immer feineres Zusammenspiel aller körperlichen Funktionskreise.
Aus einem Sopran wird kein Bass. Muss es auch nicht.
Damit bekommst du zwar keine Bass-Stimme, wenn du ein hellklingender Sopan bist, aber: Du wirst dich mit deiner eigenen, unverwechselbaren Stimme viel wohler fühlen.
Auch an der Sprechweise lässt sich wunderbar arbeiten: Pausensetzung, Melodieführung, Artikulation, Betonungen. Alle sprecherischen Gestaltungsmittel, die du kennenlernst und dann bewusst einsetzt, werden dir zu mehr Ausdruck und mehr sprecherischer Leichtigkeit verhelfen.
Stimme und Sprechweise sind keine fixen Konstrukte, sie können sich entwickeln und gestaltet werden. Eine Beschäftigung damit lohnt immer, denn: Stimme und Stimmung hängen zusammen. Und es macht Freude, einfach ‚gut gestimmt‘ zu sein …