So nutzt du deinen Atem
Wir alle brauchen Atempausen in unserem Leben. Momente, in denen wir uns auf uns selbst besinnen können und im wahrsten Sinne ‚tief Luft holen‘ und auftanken.
Rund um den Alltag sind das Urlaube oder ein Wochenende, an dem einmal gar nichts passiert außer ausgiebiges Herumfläzen auf der Couch. Ein ruhiger Abend, bei dem die brennende Kerze am Tisch das spannendste Element ist. Ein paar tiefe und bewusste Atemzüge, während wir uns von A nach B bewegen. Das sind Momente, in denen die Seele baumeln kann und das ganze Sein nochmal durchatmet.
So ein ‚Durch-Atmen‘ bringt im Alltag ebenso viel wie beim Sprechen. Der Atem ist einfach die wichtigste Zutat unseres Lebens: er fließt durch uns hindurch, ohne dass wir etwas dafür tun müssen. Er ist einfach ganz selbstverständlich da. Gerade deswegen vergessen wir oft seine besondere Kraft. Doch wenn wir ihn bewusst wahrnehmen und uns von ihm bewegen lassen, arbeitet er für uns.
So aufgeregt, so gestresst, so atemlos…
Die Atmung ist in meinen Seminaren und Einzeltrainings immer ein wichtiges Thema. Kaum etwas anderes beeinflusst Sprechen und Auftreten so nachhaltig wie ein bewusster Einsatz des Atems. Damit kannst du dein inneres Empfinden in Stress-Situationen ebenso verändern wie deine äußere Wirkung von Kompetenz und Gelassenheit.
Der berufliche Alltag und herausfordernde Sprech-Situationen sind jedoch oft von Atemlosigkeit gekennzeichnet: ob es das Hetzen von einem beruflichen Termin zum nächsten ist oder der innere Druck, den du dir rund um einen Vortrag selbst machst. Dann fallen solche Sätze wie ‚Heute habe ich so durchgepowert, dass ich überhaupt nicht zum Durchatmen gekommen bin.‘ oder ‚Ich war so aufgeregt vor dem Meeting, dass ich nur ganz schlecht Luft gekriegt habe.‘
Atmung und Sprechen sind eng verbunden.
Ohne genügend Luft spricht es sich nicht gut. Denn wenn der Atem nicht fließen kann, dann sitzt natürlich auch die Stimme nicht da, wo sie wirklich klingen kann. Atmung, Stimmbildung und Artikulation: kaum andere Wirkungskreise stehen in einem engeren Zusammenhang. Doch die Atmung ist auch sehr eng mit der eigenen inneren Verfassung verbunden. Viele Sprech-Situationen werden als stressig wahrgenommen.
Wenn du jedoch im Stress-Modus bist, stellt sich die Atmung in Richtung Leistungsatmung um. Dieser Atemtypus ist total sinnvoll bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten: dabei hebst du die Rippen an und der Brustkorb weitet sich. Wenn du vor einem Tiger davonlaufen musst, dann arbeitet dein Atemapparat auf Hochtouren: das ist auch besser so. Bloß schnell weg, sonst frisst er dich. Wie du atmest, wird in solchen Situationen unbewusst reguliert.
Wenn du vor einem Tiger flüchtest, kannst du nicht gleichzeitig klangvoll sprechen.
Wenn deine Psyche eine Situation als stressig einstuft, dann passt sich die Atmung automatisch an – auch, wenn du aktuell gerade nicht vor einem Tiger flüchten musst. Sondern wenn du vor 40 Leuten überzeugend sprechen willst. Das ist jedoch problematisch, weil die Leistungsatmung für das Sprechen sehr unökonomisch ist.
Eine gute Sprechatmung hat eine Tendenz zur Ruheatmung. Dabei wölbt sich die Bauchdecke und der untere Brustkorb weitet sich. Der obere Brustkorb und die Schultermuskulatur sind weniger beteiligt. Bei der Sprechatmung ist die Einatmungsphase kürzer als die deutlich verlängerte Ausatmungsphase. Und natürlich holst du mehr Luft, um überhaupt zusammenhängend sprechen zu können.
Deine Atmung läuft unterbewusst - und du kannst sie fürs Sprechen bewusst steuern.
Rund um die Atmung gibt es eine richtig gute Nachricht. Der Atem ist der einzige körperliche Funktionsablauf, der sowohl unbewusst abläuft, als auch ganz bewusst gesteuert werden kann. Über den Atemablauf kannst du also Spannungs-Situationen regulieren und dein ganzes Auftreten in einer Sprech-Situation positiv beeinflussen.
Wenn du mit deinem Atem arbeitest, lassen sich herausfordernde Gespräche oder Vorträge leichter bewältigen. Außerdem wirkt sich ein bewusster Einsatz deines Atems auch auf deine Verständlichkeit aus.
Darum gibt‘s heute 3 Tipps, wie du deinen Atem rund ums Sprechen und in Vorbereitung auf eine stressige Sprech-Situation einsetzen kannst.
1. Tief in den Bauch hinein: die Nervosität wegatmen
Eines der wirkungsvollsten Mittel gegen große Nervosität vor dem Sprechen ist meiner Meinung nach die Bauchatmung. Auf viele körperliche Symptome von Lampenfieber hast du keinen direkten Einfluss. Doch mit deiner Atmung kannst du deine innere und äußere Spannung verändern.
Atme dazu ganz bewusst und tief in den Bauch hinein ein – und wieder aus. Bleib einfach mit deiner Aufmerksamkeit einige Atemzüge lang dabei, wie sich dein Bauch hebt und wieder senkt. Danach kannst du sanft anfangen, die Ausatemphase zu verlängern: bewusst etwas länger ausatmen, als du eingeatmet hast.
Das reduziert die rumpulsierenden Stresshormone und macht dich Atemzug für Atemzug ruhiger. Diese Übung kannst du im Gehen machen, im Stehen und natürlich auch im Sitzen. Deinen Atem hast du ja immer dabei und sie funktioniert auch ganz unauffällig im schon laufenden Meeting.
Du kannst diese Übung auch leicht abwandeln, um deine Stimme vor einer Präsentation ‚aufzuwärmen‘: in den Bauch einatmen und beim Ausatmen ein weiches ‚Mmmm‘ vor dich hinbrummen.
2. Atme aus, bevor du zu sprechen beginnst.
Rede-Situationen vor Publikum sind für die allermeisten Leute mit Stress verbunden. Deswegen wollen sie sie schnell hinter sich bringen: nach vorne gehen, direkt anfangen. Dann ist es schließlich bald auch wieder vorbei. Dadurch entsteht jedoch ein ‚atemloser‘ Eindruck: die Person vorne ist noch nicht wirklich da, noch nicht bereit zu sprechen. Die Stimme sitzt nicht und der ganze Auftritt kann verhetzt wirken.
Nimm dir kurz Zeit, in der Situation vor deinem Publikum anzukommen. Geh bewusst nach vorne, stell dich sicher hin und baue Blickkontakt zu freundlich guckenden Leuten auf. Und dann: atme aus. Nimm dir diesen zusätzlichen Atemzug, um dir klar zu machen: jetzt bin ich wirklich da.
Dann atmest du wieder neu ein und beginnst zu sprechen. Dein Vortrag dauert dadurch nicht länger und niemand wird dich drängen. Stattdessen hast du durch diesen einen zusätzlichen Atemzug ‚dazwischen‘ die folgende Sprech-Situation wirklich in der Hand und wirkst souveräner.
3. Plane deine Atempausen ein.
Wenn du sprichst, nimm dir Zeit für Atempausen zwischen deinen Sätzen. Besonders wichtig sind diese Momente des Luft-Holens, wenn du einen Gedankenblock zu Ende gebracht hast. Pausen strukturieren dein Sprechen für deine Zuhörer*innen. Sie können sich dann orientieren und selbst durchatmen: dadurch verarbeiten sie das Gehörte besser und folgen dir weiterhin.
Wenn du deutliche Pausen machst, wirst du merken, dass du dich ruhiger fühlst und ‚mehr in deiner Mitte‘ agierst. Das überträgt sich wiederum aufs Publikum: ein positives Wechselspiel. Atemloses Schnell-Sprechen hat den gegenteiligen Effekt, weil es deine Zuhörer*innen ermüdet und sie abschalten.
Wenn es dir schwer fällt, dich beim Sprechen vor Publikum an Pausen zu erinnern, plane sie dir bewusst mit ein. Etwa, indem du sie dir überdeutlich auf deinen Stichwortkarten notierst. Oder du nimmst dein Publikum als Anker, indem du z.B. nach jedem 3. Blickkontakt eine Pause machst.
Keine Angst: wenn du bewusste Atem-Pausen machst, wirst du beim Sprechen nicht häufiger unterbrochen. Vielmehr zeigst du, dass du die Zügel in der Hand hast und deine Kompetenz wird hörbar.
Kleine Veränderungen beim Atmen machen einen großen Unterschied fürs Sprechen.
In den Bauch atmen, vor dem Sprechen ausatmen und bewusste Atempausen einplanen: es sind ‚ganz kleine‘ Dinge, die einen großen Unterschied beim Sprechen machen. Probiere für dich aus, was gut funktioniert und auf welche Verhaltensweisen rund um den Atem du leicht Zugriff hast. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.
One breath at a time.