So improvisierst du bei einem Vortrag
Manchmal läuft das Leben einfach nicht nach Plan. Das ist auf der Bühne und bei einem Vortrag genauso. Du kannst dich noch so gut vorbereiten – und dann geschieht etwas Unvorhergesehenes und du musst bei deinem Vortrag improvisieren.
In diesem Blogartikel geht es darum, wie du bei einem Vortrag mit verschiedenen Situationen umgehst, die spontan dein Improvisations-Talent erfordern.
Ich gehe dabei davon aus, dass du dich im Vorfeld bestens vorbereitet hast und deinen Vortrag im Idealfall sogar durchgesprochen hast. Denn meistens ist Vorbereitung der Schlüssel, um im Ernstfall gelassen improvisieren zu können.
Improvisieren bedeutet nicht, dass du dich unvorbereitet durchschummelst.
Das bedeutet also, dass du in diesem Blogartikel keine Tricks erfährst, wie du dich ohne Wissen und Vorbereitung durch eine Vortrags-Situation schummeln kannst.
Sorry, das ist nicht das, was ich unter Improvisation verstehe.
Meine Empfehlung für alle Arten von Vortragssituationen (auch: Rede, Pitch, Ansprache, Präsentation, jedwedes Sprechen vor Publikum): Bereite dich vor. Immer.
Nur so hast du im Ernstfall die Freiheit, auf der Basis deines Wissens und deiner Vorbereitung optimal auf die neue Situation zu reagieren. Das bedeutet: zu improvisieren.
Du bereitest dich vor, damit du dann alles anders machen kannst.
Oder wie mein Lehrer im Studium immer sagte: ‘Du bereitest dich vor, damit du in der Situation im vollen Bewusstsein alles verwerfen und anders machen kannst.’
Also geht es hier um diese 3 Aspekte, die bei einem Vortrag dein Improvisations-Talent fordern:
Was du tun kannst, wenn du einen totalen Blackout hast.
Wie du damit umgehst, wenn dich die Technik bei deinem Vortrag im Stich lässt.
Wie du mit Störungen und unvorhergesehenem ‘Gegenwind’ umgehst.
Annehmen, was gerade da ist.
Improvisation, wie ich sie verstehe, bedeutet: Offen sein für die Situation, wie sie sich momentan präsentiert. Auch, wenn die momentane Lage hundertfach anders ist als das, was du dir vorgestellt hast. Offen sein, präsent sein - und bleiben.
So viele Kommunikations-Situationen, und dazu gehören natürlich auch Vorträge dazu, scheitern. Sie scheitern, weil wir nicht bereit sind, uns von dem Bild zu lösen, ‘wie es eigentlich sein sollte.’
Deswegen: Hör auf, deinem inneren Bild von ‘Es sollte anders laufen, als es das gerade tut’, hinterherzuhängen.
Improvisieren: Die Kraft von ‘JA, und…’ nutzen.
Eines der wichtigsten Prinzipien beim Improvisieren am Theater ist: Sag immer ‚JA, und…‘
Also: Bestätige das Angebot, was gerade da ist und füge noch etwas hinzu.
Das gilt auch für Kommunikationssituationen: Sicher hast du auch schon oft erlebt, wie schwierig Gespräche werden können, wenn sie im ‚Ja-aber-Modus‘ geführt werden.
Wenn du auf alles, was dein Gegenüber sagt, mit ‘Ja, aber…’ antwortest, wird sich das Gespräch ziemlich schnell im Kreis drehen. Und noch mehr: Ein ‘Aber’ markiert immer einen Widerspruch.
Ein ‘Ja, ABER…’ ist eine Scheinzustimmung. Zuerst bejahst du etwas, um es anschließend vom Tisch zu wischen. Das führt dann irgendwann zu inneren wie auch äußeren Blockaden und dass sich niemand mehr gerne bewegt.
Wenn Du hingegen ein Gespräch im Geiste von ‘Ja, UND…’ führst, fügst du der Vorrede etwas hinzu. Das kannst du nur, wenn du genau zugehört hast und dich auf dein Gegenüber und dessen Vorschläge einlässt. So könnt ihr Gedanken miteinander weiterspinnen, etwas Neues entsteht und die persönliche Beziehung ist überdies gesichert.
Bleib offen für die neue Situation.
Dieses Improvisations-Prinzip von ‘Ja, UND’ ist natürlich auch auf innere Situationen anwendbar. Wenn du wegen einer unangenehmen Situation Widerstand verspürst, bist du höchstwahrscheinlich voll im ‘ABER’-Modus. Wenn du es schaffst, offen für die gerade sich zeigende Situation zu bleiben, um etwas Neues daraus zu machen, bist du im ‘Ja, UND’-Modus. Und damit im erfolgreichen Improvisieren.
Dieses Improvisations-Prinzip hilft dir also, wenn bei deinem Vortrag etwas schiefgeht. Und das kann ja trotz der besten Vorbereitung passieren. Du hast ihn liebevoll ausgearbeitet, eine tolle Präsentation erstellt, dich selbst in der Rede-Situation visualisiert und das Ganze sogar geprobt. Und dann kommt alles anders…
Schauen wir uns 3 Situationen an, die bei einem Vortrag dein Improvisations-Talent fordern. Und natürlich bekommst du Tipps, wie du mit ihnen souverän umgehen kannst.
1. Du hast ein totales Blackout.
Das ist eine der Situationen, vor der sich meine Klient*innen am meisten fürchten. Logisch: Gerade sprichst du noch, wahrscheinlich mit einigem Lampenfieber, und dann passiert etwas Unvorhergesehenes (wie eine Zwischenfrage) und alles ist weg, Leere im Gehirn.
Wichtig jetzt: Bleib ruhig. Atme durch. Die Pause, die entsteht, kommt dir selbst länger vor als allen anderen. Nochmal atmen.
Meistens ist das Blackout nach ein paar Momenten vorbei und du kannst wieder an deinen Faden anknüpfen. Oft merken es die anderen Leute gar nicht, wenn für einige Sekunden bei der Vortragenden alles ‘wie weggewischt’ erscheint.
Eine ungeplante Pause von bis zu 7 Sekunden fällt niemandem auf.
Du kannst eine Pause von bis zu sieben Sekunden machen, ohne dass es irgendwem auffällt. Zähl diese Zeit mal zwischen zwei Sätzen durch: Das ist viel länger, als es klingt.
Wenn das innere Licht bis dahin noch nicht wieder angegangen ist, kannst du deine wichtigsten Punkte wiederholen. Orientiere dich an deinem Stichwortzettel oder deinem letzten Slide. Oft ‚klickt‘ dann das fehlende Element wieder an der richtigen Stelle, dir fällt alles wieder ein und du kannst weitermachen.
Auch dieses Wiederholen von wichtigen Informationen fällt nicht unangenehm auf. Im Gegenteil, die meisten werden dankbar sein, weil sie sich dann noch besser innerhalb deines Vortrags orientieren können. So erhöht ein Blackout möglichweise sogar deine Verständlichkeit.
Wenn nichts mehr geht: Blackout einfach zugeben
Die Last-Exit-Strategie ist natürlich diese: Du gibst einfach freundlich zu, was gerade passiert. Es ist menschlich, mal nicht weiter zu wissen. Die allermeisten Leute haben eine ähnliche Situation auch schon mal erlebt. In der Regel reagiert das Publikum sehr milde darauf. Nach dem Motto: ‘Na, trinken Sie erst mal einen Schluck Wasser und dann geht’s weiter…’
Ein Blackout ist vor allem eine Aufforderung an dich, gut zu dir selbst zu sein. Atmen, trinken, einen Schritt zurückgehen. Das verschafft dir einen kurzen Moment der Neuorientierung und du kannst gestärkt weitermachen.
2. Die Technik lässt dich im Stich.
Der Beamer funktioniert nicht, der Film hängt und die PowerPoint lässt sich partout nicht laden. Das sind sehr ärgerliche Situationen und natürlich auch gefährliche Zeitfresser.
Hier ist Transparenz das Wichtigste: Sprich offen an, was gerade passiert und wie viel Zeit du möglicherweise brauchst, um das Problem zu lösen. Dann können sich deine Zuhörer*innen darauf einstellen.
Wenn das technische Problem nicht zu lösen ist, visualisiere deine wichtigsten Punkte auf einem Flipchart oder Whiteboard. Wenn du einen Filmausschnitt zeigen wolltest, dann erzähle stattdessen in Bildern und Beispielen, was wir gesehen hätten.
Wenn etwas nicht wie geplant funktioniert, mach es anders.
Wenn das Mikrofon nicht funktioniert, dann komm hinter dem Redner*innenpult hervor und such dir eine andere Position im Raum, von der aus du gut zu sehen und zu hören bist. Wenn sich alle Leute im hinteren Teil des Saales verschanzen, dann geh in ihre Richtung oder aktiviere sie, damit sie ihre Plätze wechseln.
Ganz bildlich gesprochen: Wenn das Licht ausfällt, dann zünde eine Kerze an oder arbeite nur mit den Farben deiner Stimme. Es gibt für jede Panne eine Lösung, die gerade für diese Situation passt.
Die meisten dieser Technik-Pannen lassen sich jedoch durch gute Vorbereitung verhindern: Einfach rechtzeitig vor dem Vortrag alles checken, am besten mehrmals.
Das bedeutet auch, dass du nicht erst im last-minute-Modus deinen PC mit dem Beamer verbindest oder das Mikro zum ersten Mal bei Vortrags-Beginn in der Hand hältst. Technik-Checks und dass du einen Raum kennenlernst, gehören zum Standard-Ablauf vorab.
3. Jemand redet dazwischen und du bekommst Gegenwind.
Gegenargumente, hochgezogene Augenbrauen, Zwischenfragen und Zwischenrufe können unangenehm sein und dich bei deinem Vortrag schon mal ins Schleudern bringen. Zumal, wenn diese Signale wiederholt auftreten, während du redest. Und auch wenn du es dir 1000x anders gewünscht hättest: Wenn du die Zeichen ignorierst, verstärken sie sich tendenziell.
Einer der Sätze, die ich im Kommunikations-Zusammenhang am meisten liebe, stammt von der Psychologin Ruth Cohn. Er wurde ursprünglich für die Zusammenarbeit in Gruppen gesagt, doch meiner Ansicht gilt er bei Störungen innerhalb eines Vortrags ebenso:
‘Störungen haben Vorrang.’
Als Vortragende führst du die Situation an.
Versuche, dein Gegenüber abzuholen und Verständnis zu signalisieren. Bei Zwischenfragen probiert die zuhörende Person meist wirklich etwas zu verstehen: Wenn du kurz antwortest, kannst du weitermachen. Wenn eine Frage einen längeren Exkurs nötig macht, stelle sie zurück und verweise auf die nachfolgende Diskussion.
Das ‚Ja-und-Sagen‘ kannst du in herausfordernden Kommunikations-Situationen wie bei Zwischenfragen ganz konkret nutzen, um Wertschätzung und Verständnis zu zeigen. Gleichzeitig gibt dir ‚Ja, und…‘ die Möglichkeit, eine positive Erklärung anzufügen.
Statt: ‚Ja, das ist richtig, dass dieses Ziel ehrgeizig ist. Aber da müssen wir jetzt durch.‘
Lieber: ‚Ja, dieses Ziel ist ehrgeizig. Und deshalb ist es mir wichtig, Ihnen die Gründe dafür noch genauer zu erklären.‘
Gelassenheit ist der Schlüssel, um erfolgreich zu improvisieren.
Das Wichtigste in all diesen Vortrags-Situationen, ob du nun ein Blackout hast, die Technik versagt oder Einwürfe kommen, mit denen du nicht gerechnet hast: Versuche, ihnen so gelassen wie möglich zu begegnen und gerade das Unerwartete zu umarmen. Dafür brauchst du kein Bühnentalent, dafür musst du einfach nur in diesem Moment präsent DA sein.
Denn du wirst dich nie auf alles vorbereiten können, was passiert. Aber mit der richtigen Vortrags-Improvisations-Einstellung kannst du mit allem umgehen, wenn es passiert.
In diesem Sinne: frohes Improvisieren und ‚Ja, und‘-Sagen bei deinem Vortrag.