Vorgestellt: 8 Fragen an Anne-Marie Franz
Als ich Anne-Marie Franz kennengelernt und erfahren habe, was sie beruflich macht, habe ich gleich ‚große Ohren‘ bekommen – und auch live mitgekriegt, dass es anderen Frauen ganz genauso geht. Denn Anne-Marie bringt eine höchst spannende Mischung mit auf die berufliche Bühne: Sie ist Organisationsentwicklerin und Maßschneiderin. Und verfügt damit über Wissen und Erfahrung, die für viele Frauen im beruflichen Kontext sehr wertvoll sind.
Denn längst nicht alle Frauen werden aus den Bildern in Modezeitschriften schlau oder wissen, wie sie die neueste Mode auf den eigenen Körper, Typ und die beruflichen Erfordernisse abstimmen sollen. Längst nicht alle gehen in ein Geschäft und kommen zufrieden und perfekt gekleidet wieder heraus. Und ‚Schwarz geht immer‘ ist auf Dauer auch langweilig. Ein guter, passender Stil ist eben von so vielen Faktoren abhängig …
Äußere Wirkung und individueller Ausdruck
Und hier kommt Anne-Marie Franz ins Spiel: Sie weiß, wie Kleidung wirkt, welche wichtige Kommunikationsfunktion ein Outfit hat – und wie sich dieses Wissen für die berufliche Bühne wirkungsvoll einsetzen lässt. Sie betrachtet Kleidung und Kommunikation ganzheitlich: Auf der einen Seite denkt sie mit, wie Kleidung das Rollen- und Selbstverständnis beeinflusst. Sie lenkt das Augenmerk darauf, wie sehr gesellschaftliche Zuschreibungen und Erwartungshaltungen mitunter die Wahl des Outfits beeinflussen.
Auf der anderen Seite kann sie professionell unterstützen, wenn es um den individuellen Ausdruck der Person in Bezug auf Kleidung geht: Materialien, Farben, Trageeigenschaften, Kombinationsmöglichkeiten – Anne-Marie sieht auf den ersten Blick, ob’s passt!
Viel Stoff für Selbstreflexion und zum Ausprobieren!
In diesem Interview beantwortet sie einige Fragen rund um ihren Werdegang und die Wechselwirkung von Kommunikation und Kleidung. Und ich habe sofort gemerkt: Dieses Thema bietet ‚viel Stoff‘ für Selbstreflexion, augenöffnende Momente und viel Freude am Ausprobieren.
Vorhang auf für Anne-Marie Franz!
1. Wann ist dir zum ersten Mal klargeworden, welchen großen Einfluss Kleidung auf Kommunikationsprozesse hat?
Schon als Jugendliche: In den 80er Jahren gehörte ich zur links-alternativen Jugendszene. Es war enorm wichtig zu zeigen, welche Musik du hörst und wie du zu bestimmten politischen Themen stehst. Durch unsere Outfits haben wir uns ausgedrückt und so unsere Überzeugungen sichtbar auf die Straße gebracht.
Rückblickend würde ich sagen, dass Kleidung damals ein Teil unserer kulturellen (Selbst-)Inszenierung war.
2. Du bist ursprünglich Maßschneiderin: Was hat dich da hingezogen?
Stoffe, Farben, kreative Handarbeitstechniken faszinieren mich schon seit meiner Kindheit. Textiles Gestalten ist einfach mein Ding! Bis heute bin ich begeistert von Couture-Techniken und mag es, schöne Dinge herzustellen. Später wollte ich meine Kleidung selbst gestalten und unbedingt all die Techniken lernen, die mir es ermöglichen, mich kreativ auszudrücken. Da lag eine Ausbildung als Maßschneiderin auf der Hand.
Während des anschließenden Bekleidungstechnik-Studiums ist mir klargeworden, dass ich weiterhin handwerklich arbeiten will – das ging nur mit eigenem Atelier. So habe ich mehr als zehn Jahre individuelle Kleidung für Frauen entworfen und nach Maß geschneidert.
3. Heute bist du als Organisationsentwicklerin und Coach tätig – Wie passt das für dich zusammen?
Rückblickend betrachtet, ging es mir schon als Maßschneiderin nicht allein darum, schöne Kleidung nach der neuesten Mode handwerklich perfekt herzustellen. Vielmehr interessiert es mich, Menschen durch Kleidung in ihren Kommunikationsprozessen dabei zu unterstützen, wirksam zu sein und ihren eigenen Ausdruck zu finden.
Im übertragenen Sinne tue ich das als Organisationsentwicklerin und Coach auch: mit der Gestaltung von Workshops, Coachings oder Moderation unterschiedlicher Formate schaffe ich Kommunikationsräume für Menschen, die Entwicklung ermöglichen und sie in ihrer Wirksamkeit unterstützen.
4. Wie gehst du vor, um mit Menschen ‚Kleidung zu gestalten, die ihrer Persönlichkeit entspricht‘?
Erstmal bin ich neugierig: Ich lasse den ersten Eindruck auf mich wirken. Im Beratungsgespräch stelle ich viele Fragen und versuche, die Person besser kennenzulernen und herauszufinden, was sie wirklich braucht. Dabei geht es auch darum, eine gemeinsame Kommunikationsebene zu finden, um miteinander das Richtige entwickeln zu können.
Da Kleidung so eng verbunden ist mit der Identität und Wahrnehmung des eigenen Körpers (besonders für Frauen ein schwieriges Thema), ist es mir wichtig, einen sicheren Raum für einen offenen vertrauensvollen Umgang miteinander zu schaffen.
5. Vielen Frauen fällt es schwer, die passende Kleidung für ihren Job zu finden. Warum eigentlich?
Es ist gerade für Frauen extrem schwierig, angesichts der unterschiedlichen und sich widersprechendenden Rollenanforderungen das passende berufliche Outfit zu finden. Im Job geht es eben nicht darum, weiblich-attraktiv auszusehen und modisch gekleidet zu sein, sondern souverän und professionell aufzutreten.
Kleidung hat vielfältige Kommunikationsfunktionen, die auf kulturellen und gesellschaftlichen Zuschreibungen basieren. Kleidung ist eben nicht nur individueller Ausdruck einer Person, sondern sagt beispielsweise etwas über den beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Status und über die Geschlechterrolle aus.
Es ist enorm hilfreich, sich dessen bewusst zu sein und zu wissen, was und wie Kleidung konkret kommuniziert.
6. Wie wählst du selbst aus, was du anziehst?
Ich überlege mir zuerst, in welcher Funktion und Rolle ich unterwegs sein werde. Ich stelle mir selbst die Frage: Wie möchte ich wahrgenommen werden? Auch berücksichtige ich die bewussten und unbewussten Erwartungen der Menschen, mit denen ich es zu tun haben werde. Vielleicht gibt es bestimmte Kleidungscodes, die es zu beachten gibt (oder gegen die ich bewusst verstoßen möchte).
Dann mache ich mir Gedanken darüber, wie die Rahmenbedingungen sein werden: Wie wird beispielsweise die Temperatur sein? Da ich selbst schnell schwitze, achte ich darauf, dass Schweißflecken nicht so schnell sichtbar sind.
Wichtig ist mir auch zu beachten, welche praktischen Anforderungen ich habe: Brauche ich z. B. Taschen in meiner Jacke, um während eines Workshops Stift und Moderationskarten griffbereit zu haben. Ich denke also in Bezug auf Kleidung und Kommunikation alles mit, was mir hilft, einen guten Job zu machen.
Natürlich habe ich ein paar erprobte Lieblingsteile, die meinen professionellen Auftritt unterstreichen. In denen fühle ich mich wohl und rundum stimmig.
7. Wie hilft dir Kleidung, dich ‚in deiner Haut wohlzufühlen‘?
Auf jeden Fall fühle ich mich wohl in meiner Haut in Kleidung, die zu meinem Körper passt. Es gibt nichts Nervigeres als eine enge, kneifende Hose, eine Bluse, an der ich immer wieder rumgezuppeln muss oder Schuhe, die drücken und mich nicht sicher stehen lassen. Also wähle ich Kleidung und Accessoires, die mich nicht ablenken und die es mir ermöglichen, mich voll auf meine Aufgabe zu konzentrieren.
Natürlich sehe ich gerne gut aus: Wenn ich beispielsweise Kleidung in Farben und Formen trage, die mir optimal stehen. Außerdem trage ich gerne Naturmaterialien, weil ich mich in diesen im wahrsten Sinne des Wortes ‚wohl in meiner Haut fühle‘.
8. Letztens war ich in einem großen Kleidungsgeschäft einkaufen, um ein paar neue ‚berufstaugliche‘ Teile zu finden. Das Angebot hat mich schier erschlagen. Wenn ich für berufliche Situationen shoppen gehe, worauf sollte ich da achten?
Am besten, du machst dir vorm Einkaufen Gedanken darüber, welcher Stil am besten zu dir und deiner beruflichen Rolle passt und welche praktischen Anforderungen die Kleidungsstücke und Accessoires erfüllen müssen, die du kaufen möchtest.
Vielleicht stellst du dir nach und nach eine Grundgarderobe mit gut kombinierbaren Basic-Teilen zusammen, die du mit modischen Einzelteilen ergänzt. Das gibt Orientierung im Konsumtempel und erleichtert den Einkauf mit Plan. Im Geschäft geht nichts über Ausprobieren und einen ehrlichen Blick in den Spiegel!