Nuschelst du noch oder sprichst du schon deutlich?
Was liegt am Strand und spricht undeutlich? - Eine Nuschel!
Je nach Perspektive und Betroffenheit wirst du den Witz mehr oder weniger lustig finden. Solltest du häufiger einmal nicht verstanden werden oder die Rückmeldung bekommen, dass du undeutlich sprichst, wirst du maximal schräg lächeln. Vor allem, wenn dir das öfter im Beruf passiert.
Du hast schon häufiger mal gehört: Wie bitte?!
Vielleicht hörst du öfter mal ein ungeduldiges „Wie bitte?“ von deinen Kolleg:innen. Oder immer wieder mal ruft jemand dazwischen, wenn du etwas sagst und fordert: „Sprich mal deutlicher!“ Möglicherweise hat dir eine wohlmeinende Kollegin auch unter der Hand verraten, dass du einfach nuschelst …
Im Folgenden findest du einige Tricks, wie du bald schon deine Aussprache und Artikulation verbessern und somit mehr Gehör finden kannst. Dazu braucht es eine bewusste Auseinandersetzung mit deinem Sprechen – und etwas Übung.
Durch regelmäßiges Üben zur deutlichen Aussprache
Vielleicht erscheint es dir aus jetziger Sicht wenig wahrscheinlich, dass du mal an einem Artikulations-Wettbewerb oder an einem Spoken-Word-Contest teilnimmst. Aber wer weiß …
Nicht wenige Menschen, die mit einer undeutlichen Aussprache zu kämpfen hatten, haben sich schließlich zu großen (Rede-)Erfolgen aufgeschwungen. Sie hatten etwas zu bewältigen, waren mutig und haben sich überwunden – und hatten dadurch auch gleich viel mehr zu erzählen.
Es geht nicht um die L-A-U-T-S-T-Ä-R-K-E!!!
Räumen wir zunächst einmal mit einem Missverständnis auf. Wie oft wurdest du (oder wurden andere, bei denen du es mitbekommen hast) schon gebeten, etwas nochmal und dabei bitte lauter zu sagen?
Dabei geht es im seltensten Fall um die Lautstärke, sondern vielmehr um das deutliche Sprechen.
Nett gemeint, aber: Nicht lauter, sondern deutlicher
Meist spielt es sich ungefähr so ab: Stell dir einmal kurz vor, du hast einen Beitrag für ein Symposium vorbereitet, hast ihn geübt und heute ist der Tag, an dem du deine Rede vorträgst.
Der Raum ist voll – und du bist voller Aufregung. Nachdem du fünf Minuten gesprochen und dich gerade warmgeredet hast, hörst du jemanden vorsichtig sagen: Entschuldigen Sie bitte, aber könnten Sie eventuell ein Mü lauter sprechen?
Prompt fühlst du dich wie die Nuschel am Strand hinter der Perlmuttwand.
Not funny. Überhaupt nicht witzig!
Bestimmt hat noch nie jemand zu dir gesagt: „Könntest du das bitte noch einmal deutlicher artikulieren? Vielleicht weniger die Endsilben verschlucken und die Vokale ineinander verschwimmen lassen? Weniger hauchen, weniger schnell sprechen, wirklich meinen, was du sagst und mich damit auch erreichen wollen?“
So nett bzw. so direkt und unverblümt ist niemand.
Das Geheimnis des Nicht-Nuschelns: Deutlicher sprechen und klarer artikulieren
Aber wie geht das nun: Deutlicher sprechen und klarer artikulieren?
Und wie kommst du dem Ziel ‘Deutlichkeit’ in wenigen Schritten näher?
Es gibt 3 Ansatzpunkte, durch die du deutlicher sprechen wirst. Und natürlich wirken sie aufeinander ein. Du kannst auf deine Atmung einwirken. Du kannst den Klang deiner Stimme beeinflussen. Und du kannst lernen, klarer zu artikulieren. Durch all diese Einflussfaktoren wirst du deutlicher sprechen und dadurch auch besser verstanden werden.
Dafür musst du nicht von heute auf morgen ein Sprechprofi werden. Du solltest dir lediglich deiner Stimme und Sprechweise bewusstwerden – und natürlich viel üben …
#knnst_d_mch_vrsthn vs. #a_u_i_eee
Zunächst ist es hilfreich zu wissen, wie unser Gehirn beim Verstehen von gesprochener Sprache funktioniert. Passend zu jedem EM- oder WM-Fieber, ein Beispiel aus der Praxis.
Als es gerade in Mode gekommen war, bei Hashtags, Modemarken oder Bandnamen die Vokale auszusparen, twitterte die deutsche Fußball-Nationalelf 2018 unter dem Hashtag #ZSMMN. Es reicht ein Blick auf die Buchstabenfolge und sofort ist klar, was gemeint ist.
Hätte das Team nur die Vokale von „Zusammen“, also #UAE getwittert, wäre es doch etwas kryptisch geblieben. Uae!! - ein schöner Schrei aus dem Fanblock zum Anfeuern, aber eben wenig gehaltvoll.
In der arabischen Schriftsprache fehlen Vokale übrigens sogar vollständig. Denn das Prinzip ist: Unser Gehirn ergänzt, was an Info fehlt.
Die Konsonanten machen die Musik (und den Gesang deutlicher)
So ist das auch beim Hören. Das geht vor allem gut, wenn wir uns an Konsonanten orientieren können.
In der musikalischen Vortragskunst beispielsweise scheiden sich diesbezüglich die Geister: Auf die Vokale gehen und alles hübsch klingen lassen?
Oder doch auch ein wenig Inhalt mitliefern, indem konsonantenbetont und damit deutlicher gesungen wird?
Um es mit Richard Strauss‘ Worten zu sagen, der sich in diesem Zitat für ein besseres Textverständnis einsetzt: „Für den Sänger gibt es gegen ein (…) indiskretes Orchester nur eine Stoßwaffe: den Konsonanten.“
Nichts anderes gilt für eine deutlich oder undeutlich sprechende Person.
Wie und wo Klang, Stimme und Laute entstehen
Schauen wir uns an, wie Klang, Stimme und Laute zusammenspielen und in der richtigen Kombination zu einer deutlichen Aussprache führen.
Alles, was als Klang aus deinem Mund kommt und sich im Gehirn der anderen Personen in sinnvolle Sprache verwandelt, fließt auf einem Atemstrom aus dir heraus.
Der Atem bringt deine Stimmlippen zum Schwingen und in der Kehle entsteht ein Klang. Dieser Klang wird im sogenannten „Ansatzrohr“ oder auch „Vokaltrakt“ in Laute umgewandelt.
Der Raum des Sprechens ist formbar.
Stell dir dieses Rohr eher als einen dynamischen Raum vor, der nochmal in viele Unterräume unterteilt ist: Oberer Kehlraum, Rachen, Mundhöhle, Mundvorhof und Nasenhöhle. Hier gibt es unbewegliche Teile (z.B. Oberkiefer, Gaumen, Zähne) und bewegliche Teile (z.B. Unterkiefer, Zunge, Lippen).
Je nachdem, wie diese Sprechwerkzeuge zueinander angeordnet sind und dabei Hindernisse für den Atem darstellen, formen sich die stimmhaften oder stimmlosen Konsonanten.
Bei den Vokalen variieren die Mundöffnung und die Position der Zunge. Außerdem sind Vokale immer stimmhaft.
Fenchel vs. Wurst und Wiener Wahrheit
Probiere einmal, ein deutliches /f/ zu sprechen, wie in „Fenchel“.
Du wirst merken, daran sind deine unbeweglichen oberen Schneidezähne und deine bewegliche Unterlippe beteiligt.
Das /f/ ist ein /f/, weil du es stimmlos ausgesprochen hast.
Gib nun Stimme dazu und flux verwandelt sich das /f/ in ein /w/. Und nun kannst du so schöne Sachen sagen wie: „Warum Wurst, wenn es auch Fenchel sein kann?“
Bleiben wir kurz beim /w/ und hängen zwei Vokale dran. Einmal ein langes /i/, wie in der schönen Stadt „Wien“, und einmal ein langes /a/, wie in der seltenen „Wahrheit“.
Übertrieben sprechen, um Sprache zu empfinden
Stell dir nun vor, du möchtest einem geliebten Menschen, der nicht gut hören kann, von deinem Lieblingskrimi erzählen. Und zufälligerweise heißt der Krimi „Wiener Wahrheit“.
Sprich den Titel ein paar Mal überdeutlich hintereinander aus und achte dabei auf die Mundöffnung.
Ein umgekipptes Oval beim /i/ wechselt sich ab mit einer weiten Öffnung beim /a/, bei dem sich der Unterkiefer weit absenkt.
Achte bei der nächsten Runde „Wiener Wahrheit“ auf die jeweilige Position deiner Zunge. Während das /i/ über einer Wölbung im vorderen Bereich gebildet wird, gleitet das /a/ eher flach abfallend über den hinteren gewölbten Bereich deiner Zunge.
Schmecke und ertaste, was du sagst.
So kannst du im Prinzip alle Laute, alle Silben und Worte ertasten und schmecken. Sprechen kann ein sehr sinnlicher Vorgang sein.
Und je deutlicher du etwas artikulierst, desto mehr Würze hat das „Geschmeckte“.
Du erhältst mit der Zeit ein Bewusstsein dafür, wie deine Konsonanten und Vokale anatomisch gebildet werden, wie sie sich anfühlen und wie sie klingen.
So kommst du übers genaue Sprechen zu einer deutlichen Aussprache.
Mit mehr Artikulationspannung zur deutlichen Aussprache
Solltest du eher zur Nuschelfraktion gehören, dann kannst du bewusst daran arbeiten, deine sogenannte Artikulationspannung zu erhöhen, deine Mundöffnung zu erweitern und deine Lippen vermehrt einzusetzen.
Und damit das auch geschmeidig geht, findest du hier ein paar praktische Übungen zur Aktivierung deiner Sprechwerkzeuge und zur Verbesserung deiner deutlichen Sprechweise.
Atem und Spannung - Nur so viel wie nötig
Die Aspekte Atmung, Spannung, Stimme und Artikulation greifen ineinander und beeinflussen nicht nur die Klarheit deiner Diktion.
Sie wirken auch darauf ein, wie deine Stimme auf andere Menschen wirkt, was sie über dich als Person verrät, oder auch über deine Bewertung einer Situation, in der du dich befindest.
Der Körper weiß, was er zu tun hat.
Wenn du weißt, was du sagen möchtest und dabei nicht zu aufgeregt oder unsicher bist, weiß dein Körper oft von allein, was er zu tun hat.
Dein Körper regelt für dich, wie viel Atem er holen muss oder wie viel Spannung er braucht, um sie auf sprachliche Sinnabschnitte zu verteilen und diese zu transportieren.
Unaufgeregt vs. aufgeregt - vergleichend lernen
Es lohnt sich also auch, deinen Sprechvorgang zu beobachten, wenn du dich in alltäglichen, unaufgeregten Situationen befindest. Daraus kannst du viel für die aufregenden Momente ableiten und lernen.
Wenn du aber aufgeregt bist, abgelenkt, verunsichert oder anderweitig emotional erregt, dann kann es schon einmal passieren, dass dir Atmung und Spannung etwas verrutschen.
Dadurch artikulierst du möglicherweise undeutlicher, verhauchst etwas, sprichst zu schnell oder mit zu viel Druck. Interessanterweise wird dadurch das Sprechen insgesamt anstrengender für dich.
Lass den Körper deine deutliche Aussprache regulieren.
Was bei alledem bemerkenswert ist: Wenn du dich mit guten Freundinnen unterhältst, kannst du meist stundenlang reden und es würde dir nicht auffallen, dass das Sprechen Energie erfordert.
Der Körper weiß sich nämlich zu regulieren. Der Atem fließt von allein und wir denken in stressfreien Situationen nicht darüber nach, ob wir kurzatmig werden.
Bei Stress oder Unterspannung hat der Körper eben mehr zu tun als nötig. Dabei kann es schon einmal vorkommen, dass sich Atem, Lautstärke und Artikulation verwirbeln.
Auch hier hilft Stimm- und Sprechtraining.
Klarheit und Ruhe durch deine Message
In erster Linie ist immer auch dein ganz ureigener persönlicher Bezug zum Gesagten wichtig. Rufe dir noch einmal in Erinnerung, wozu du das, was du sagst, sagst. Wozu du zu den Menschen, die du ansprichst, sprichst. Wie du sie weshalb bewegen willst.
Versuche, deine Message wichtiger zu nehmen, als die Sorge davor, dass du nicht verstanden werden könntest oder zu undeutlich sprichst.
Dialekt? Akzent? - Ist ok!
Wenn du „Artikulations-Beginnerin“ bist, gilt die Empfehlung, deinen Dialekt nicht sofort und ganz abzustellen. Der Versuch würde zu einer Überforderung führen.
Es reicht, wenn du erst einmal einige Übungen ausprobierst. Und nur, wenn du es wirklich wünschst, kümmerst du dich später um deinen Dialekt.
Eine regionale Färbung ist außerdem völlig in Ordnung, wenn dich der Dialekt selbst eigentlich nicht stört. In manchen Zusammenhängen ist dies sogar von Vorteil oder gewünscht. Es gibt Regionalsender, die sich über Sprecher:innen mit lokalem Beiklang freuen.
So what? Sprich deutlich deinen Dialekt oder mit Akzent
Und sollte sich jemand daran stören, so lass das nicht dein Problem sein. Sollen die anderen mit ihren Vorurteilen hinsichtlich anders klingender Sprechweisen klarkommen.
Natürlich kannst du, je nachdem, wie du wirken möchtest, mal mehr, mal weniger starken Dialekt sprechen. Aber wie gesagt, Schritt für Schritt und nicht alles auf einmal.
Gibt es überhaupt eine Standardaussprache im Deutschen?
Sicher hast du dich auch schon mal gefragt, ob es überhaupt eine Standardaussprache im Deutschen gibt. Ist die korrekte und deutliche Aussprache also normiert?
Jein.
Ähnlich wie es den Duden für Rechtschreibung gibt, gibt es auch eine heute allgemein anerkannte Aussprache-Orientierung als Norm: das Duden-Aussprachewörterbuch (nach Max Mangold).
Da Sprache aber in ihrem Wesen dynamisch und veränderbar ist und sich auch die Forschung (Phonetik, Phonologie etc.) permanent weiterentwickelt, gilt dieses Werk nicht als absolute Richtschnur.
Anfängerfehler: Üübeerbetoonen
Kennst du diese zum Teil anstrengenden Reden von Politiker:innen, in denen jede Silbe oder jedes Wort im immer gleichen Rhythmus durchgehämmert wird, ohne dass es im Zusammenhang mit dem Inhalt steht?
Tipp: Versuche eher den Gedanken rüberzubringen und weniger mit Nachdruck zu sprechen.
Zu viel betont ist auch nicht deutlicher gesprochen
Ähnlich verhält es sich mit Silben, die du glaubst zu verschlucken und deshalb versuchst, sie überdeutlich auszusprechen, besonders am Wortende.
Generell ist das ok, insbesondere auf dem Weg zur klareren Artikulation. Pass dabei nur auf, dass du die Lippen nicht zu breit ziehst. Bei „i“, „e“ oder „s“ ist es sogar unnötig.
Sprechen ist ein ökonomischer Vorgang und jegliche Überanstrengung führt zu einer Überspannung. Dieses Zuviel an Spannung kann dann wiederum an anderer Stelle störend zum Vorschein kommen, etwa durch stark angespannte Halsmuskeln, verrutschte Tonlage, bellendes Sprechen durch Überdruck etc.
To nuschel or not to nuschel …
In jeder Situation kannst du auch aufs Neue die Entscheidung treffen, wie wichtig es dir ist, zu verstehen und verstanden zu werden. Nicht jede Alltagssituation verlangt das Optimum an Konzentration, Artikulationsspannung und Ernsthaftigkeit.
Je nach Art der Beziehung, ob du deine:n Partner:in im x-ten Streit erreichen möchtest, in einem Bewerbungsgespräch deines Lebens sitzt oder dein ewig nörgelnder Nachbar dich mal wieder anmuffelt - es bleibt deine Wahl, wie viel Welt du durch dein Ohr hereinlassen und durch deinen Mund wieder herausgeben möchtest.
Du kannst dich entscheiden, deutlicher zu sprechen.
Du hast jetzt die Wahl. Du brauchst nun nicht mehr nur die Strand-Nuschel zu sein.
Im Gegenteil!
Du kannst dich bald schon beherzt mitten in eine Konzertmuschel deines selbsterwählten Badekurorts stellen und mit Genuss dein Publikum in aller Deutlichkeit unterhalten.